Wissenswertes über Freizeit-, Lauf- und Wanderschuhe
Walking, Joggen, Trekking, Wandern – der Gang auf zwei Beinen wird heutzutage sehr unterschiedlich ausgeübt. Ebenso vielfältig ist, je nach Sportart, Fitnesslevel und Fußform, das Angebot von Sport- und Freizeitschuhen. Will man für eine der zahlreichen Bewegungsarten also das passende Schuhwerk finden, ist guter Rat gefragt – zumal die Aussagen in den Medien und Foren ebenso vielfältig wie widersprüchlich scheinen. Georg Herkenrath, Geschäftsinhaber des Kölner Traditionsanbieters für Laufschuhe „Dauerlauf“, hilft uns durch den Ratgeberdschungel.
Zunächst zur Geschichte: Was heute generell als Sneaker bezeichnet wird, geht über 100 Jahre zurück. Bereits 1916 wurde der erste Tennisschuhproduzent „Keds“ gegründet. 1917 entwickelte „Converse“ den berühmten Basketballschuh „Chuck Taylor All Star“ in Zusammenarbeit mit dem gleichnamigen Sportler. Die „Gebrüder Dassler Schuhfabrik“, später „Adidas“ und „Puma“, begann in den 1920er Jahren mit der Produktion von Fußballschuhen und rüstete später auch Athleten anderer Disziplinen mit besser geeignetem Schuhwerk aus. Die größten Errungenschaften aller: Leichtere Konstruktionen aus weichem Känguruleder- oder Leinen-Segeltuch und Gummisohlen. Die allerdings waren vergleichsweise steif und unnachgiebig und vornehmlich dazu gedacht, die Füße von Sportlern vor Steinen und Dornen zu schützen – nicht etwa, um durch ihre Form das Laufen zu unterstützen. Die ersten speziell für das Laufen (Joggen) entwickelten „Roadrunner“ stammen von den Leisten des deutschen Schusters Eugen Brütting. Laut Dauerlauf Inhaber und Laufschuh-Experte Georg Herkenrath ein Meister seines Faches, der in den 1960er Jahren viele Athleten ausrüstete, die mit seinen Schuhen herausragende Leistungen vollbrachten.
Das herausragende Können Eugen Brüttings bestätigt Herkenrath aufgrund seiner persönlichen Bekanntschaft mit ihm. Dieser habe „Schuhe lesen“ können und war als ursprünglicher Chefmodelleur bei der Firma Bally Urheber für die herausragende Formgebung zahlreicher Damenschuhe. Im Laufschuhbereich hat Brütting viele Ideen und Verbesserungen eingebracht und pflegte enge Beziehungen zu Branchengrößen wie Johnny Wong aus China, der u.a. für Adidas, Puma, New Balance produziert sowie dem Gründer von asics, Herrn Onitsuka. Auch Adi Dassler und seine beiden Söhne zählten zu seinen Bekannten weshalb auch deren Firmen adidas und Puma von seiner Genialität profitierten. Ein Fun Fact: Brütting hat laut Herkenrath den Seitenschlitz an der Fußballhose erfunden, da er in der Jugend so dicke Oberschenkel gehabt habe, dass ihm die normalen Fußballhosen nicht passten.
Diese ersten Sportschuhe haben bis heute Kultstatus und werden von Puristen auch nach wie vor für die Ausübung ihres Sports getragen. Ein Großteil der Freizeit- und Profisportler will jedoch nicht auf die modernen Dämpfungstechniken durch Gel-, Luft- und noch mehr Gummi verzichten. Aber wie richtig ist es, die Füße dermaßen zu schonen und was bedeutet das für die Muskulatur?
„Ein Laufschuh muss passen“, rät Laufschuh-Experte Georg Herkenrath, meint damit aber bei weitem nicht nur die Länge des Schuhs, sondern berücksichtigt zudem die Fußanatomie seiner Kunden. Auch Körpergröße und Körpergewicht nehmen langfristig Einfluss auf den Schuh ebenso wie der Laufuntergrund, die angestrebten Streckenlängen und die Häufigkeit des Trainings. Und wer glaubt, dass eine besonders starke Dämpfung die Füße oder sogar die Beine entlastet, täuscht sich. Denn die insbesondere unter den Fersen dickeren, stärker gefederten oder gepolsterten Sohlen können auch für Instabilität sorgen. Der Fuß knickt ein, statt Halt zu finden – das sogenannte „überpronieren“. Das wiederum will von der Muskulatur aufgefangen werden, die dadurch möglicherweise sogar stärker gefordert werden, als beim Laufen auf flachen oder fast gar nicht gedämpften Sohlen.
Weil unter anderem ein lange getragener Laufschuh Auskunft darüber geben kann, wie ein Kunde läuft, lässt sich Herkenrath gerne ein Paar davon mitbringen. Zwar hilft die Erfahrung dabei einem Kunden mit Hohlfuß, leichtem Senkfuß oder Plattfuß einen „in etwa passenden“ Schuh zur Probe anzubieten, aber der Laufstil ist leichter über das Abrollverhalten zu ermitteln. Der abgelaufene Schuh ist wie ein Fingerabdruck. Er zeigt an, ob der Besitzer Fersen- oder Vorfußläufer ist, ob die Füße beim Laufen vielleicht etwas nach innen knickenoder die Schuhaußenseite stärker belastet wird. Anhand der Einlegesohle lässt sich feststellen, ob der Schuh lang genug war und wo der meiste Druck ausgeübt wurde. Eigenschaften, die so erfahrene Laufschuhberater wie Herkenrath und sein Team natürlich auch anhand von Tests beim Gehen und Stehen feststellen können und die wissen, wo und wie ein Fuß optimalerweise gestützt werden sollte und wo nicht. Offensichtlicher scheinende Dinge wie Schuhlänge, Weite, Vorfußraum, Schafthöhe und Breite sowie der Halt an der Ferse durch eine gute Fersenkappe sind ebenfalls gar nicht so einfach zu beurteilen. Allerdings kann der Läufer sie direkter spüren. Auch hier hilft die Frage nach den bisherigen Schuhen: Wo passte er gut, wo hat was gestört, fühlte er sich zu fest an, „schwamm“ man darin oder rutschte man vielleicht hinten hoch?
Diese generellen Passformfragen lassen sich im Allgemeinen auch auf Wanderschuhe übertragen. Wenn z.B. die Ferse keinen festen Halt hat, sind Blasen und Schürfwunden vorprogrammiert. Wenn man Stiefel trägt, tut schnell auch der ganze Knöchel weh, weil man im Gegenzug die Schuhe sehr fest verschnürt, um den benötigten Halt zu bekommen. Dabei braucht, wer vornehmlich auf gut ausgebauten Forst- und Wirtschaftswegen unterwegs ist noch nicht einmal sehr feste Wanderschuhe oder -Stiefel. Schon ein kurzer Schaft bietet ausreichend Schutz für die Knöchel und auch die Sohle darf ruhig etwas weicher und nachgiebiger sein. Ein weiterer Vorteil bei solchen auf Bequemlichkeit ausgelegten Ausführungen ist ein vergleichsweise geringes Gewicht.
Weniger leichtfüßig geht es sich mit Trekkingstiefeln, mit denen anspruchsvollere Touren auf schlechten Wegen, über Steine und Geröll oder Klettersteige in Angriff genommen werden. Solche Modelle sind aber nicht nur schwerer, generell fester verarbeitet und mit biegesteifen Profilsohlen versehen. Ihr Innenleben ist zumeist aufwendiger ausgestaltet und bietet dem ganzen Fuß eine gute Stützfunktion. Weshalb eine gute Passform besonders wichtig ist – eine Gratwanderung zwischen festem Halt und zu viel Druck. Und je robuster der Schuh, desto weniger lässt sich die Form durch die Schnürung beeinflussen. Außerdem zu beachten: Zirka ein Daumen breit Platz vor und auch etwas Luft über den Zehen, denn vor allem beim bergab gehen kann auch die Schuhdecke drücken. Als Kenner von Füßen und Schuhen jeder Art, rät Georg Herkenrath außerdem auch hier auf den individuellen Gangstil zu achten. Genauer: Auf den Abrollpunkt, der durch die Schuhform vorgegeben wird. Liegt dieser nicht genau unter dem Ballen wird das Gehen zum Eiertanz.
Darauf, was von dem Barfußschuhtrend zu halten ist, hat Herkenrath natürlich ebenfalls eine Antwort: Lauf- und Freizeitschuhe, die mit ihren dünnen, zur Fußspitze hin deutlich breiter werdenden, Sohlen dem Barfußgehen so nahe wie möglich kommen sollen, sind – wie alle anderen Schuhvarianten auch – nichts für jeden Fuß. Der spürbarste Unterschied für Ungeübte ist die sogenannte „Nullsprengung“: Es besteht kaum oder gar kein Höhenunterschied zwischen Ferse und Vorfuß. Bei einem durchschnittlichen Sportschuh beträgt diese Sprengung aber 8 mm Sprengung. Ein Barfußschuh beansprucht daher Muskeln und Sehnen, die zuvor noch untrainiert blieben. In der Bewegung erfolgt eine ganz andere Belastung und Entlastung des Körpers. Außerdem erinnert Herkenrath daran, dass das Barfußlaufen im Ursprung auf natürlichen, nachgiebigen Böden stattfand. Heutzutage laufen wir jedoch überwiegend über Asphalt oder Waldwege, die so verdichtet sind, dass sie sich kaum von Asphalt unterscheiden.
Wer mit Barfußschuhen oder -Stiefeln auf tatsächlich naturbelassenerem Boden unterwegs ist, spürt den Untergrund durch die dünnen Sohlen widerum sehr deutlich. Ein ungewohnter Reiz für die sehr ausgeprägte Sensorik Fußsohlen. Wer also auf Barfußschuhe umsteigen will, sollte sich langsam herantasten und sie nicht unter allen Umständen bevorzugen. Und das Werbeversprechen Barfußschuhe würden Fußkrankheiten, Rückenproblemen und Haltungsschäden vorbeugen, trifft überdies auch auf jeden anderen Schuh zu, der den Körperbau und die Fußform sowie den Zweck des Schuhs berücksichtigt. Was natürlich für jeden Lauf- oder Wanderschuh gelten sollte!
DIE KÖLNER LAUFFACHBERATUNG DAUERLAUF
Über ein je nach Jahreszeit wechselndes Sortiment an Laufschuhmodellen und Laufbekleidung hinaus versteht sich das traditionelle Fachgeschäft als beratende Instanz für den Laufsport. Um Menschen mit Fragen zu oder Schmerzen beim Laufen zu helfen, bietet das Geschäft sogar Läufer-Sprechstunden an und kooperiert mit einem Orthopädieschuhfachmeister.
Infos unter www.dauerlauf.de